Das gute Miteinander braucht Gebet und Liebe
Johannes 17,20-23 / 16.1.2011 – V. Janke

In einem Gespräch mit Bruder H. Dittmer erfuhr ich, wie die Chorarbeit der Gemeinde vor Jahren fortbestehen konnte. Der Chorleiter Kleiber wanderte mit seiner Familie aus. Was wird aus dem Chor?, haben viele damals gefragt. Es war niemand da, der die Arbeit übernehmen wollte. „Dann hören wir halt auf,“ sagte jemand. Doch Bruder Dittmer übernahm dann die Leitung. Er war bereit, einem begabteren Platz zu machen, so bald jemand da ist. Dann sagte Bruder Dittmer in dem Gespräch, „Etwas aufhören ist einfach. Etwas fortführen, dran bleiben ist eine Herausforderung, ist das Besondere!“


Das gilt nicht nur für Gemeindearbeit. Das ist auch wahr im Blick auf Beziehungen. Und vielleicht geht es auch anderen hier so, aber ich habe beides kennengelernt: Den Segen der Beharrlichkeit, der Treue, der Liebe, die alles erträgt, alles glaubt, alles hofft, alles erduldet. Und doch gehört auch das andere zu meinem Weg – gescheiterte Freundschaften und Beziehungen, unvollendete Arbeiten. Aufhören. Der Turmbau zu Babel steht als ein Beispiel dafür: ohne die Fähigkeit, miteinander zu reden, eins zu werden, wird der Bau zur Bauruine. Ohne die Bereitschaft, miteinander zu reden, eins zu werden, werden aus Beziehungen Beziehungsruinen.


Das Thema der Allianzgebetswoche lautet heute: „Gemeinsam beten und dienen, damit die Welt glaubt.“ Mein erster Gedanke war: Wenn das heute ein unvorstellbar hoher Anspruch ist, „die Welt soll glauben“, wie viel mehr war es damals ein geradezu fantastischer Anspruch. Und doch hat sich bis heute daran nichts geändert: Jesus will alle! Er will alle Menschen! Alle sollen glauben. Alle sollen eins sein. Das ist Jesus so wichtig, dass er den Vater darum bittet.


1. Es gibt keine Einheit ohne Gebet.


Ich bitte aber nicht allein für sie, sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden, 21 damit sie alle eins seien. Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast.


Die Formulierung „eins sein“ kommt oft in diesem Gebet Jesu vor. Was ist damit gemeint? Wenn ich in der Bibel nach dem Wort „eins“ forsche, komme ich zuerst zu dem Text in der Schöpfungsgeschichte. In 1. Mose 2,24 steht, Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhangen, und sie werden sein ein Fleisch. Dieser wichtige Satz beschreibt die innige Gemeinschaft eines Ehepaares. Das gegenseitige Versprechen lebenslanger Treue, Liebe und Achtung füreinander ist dabei eine Voraussetzung, ein Fleisch zu werden. Im Brief an die Christen in Philippi ermutigt Paulus zwei Frauen, Evodia ermahne ich und Syntyche ermahne ich, dass sie eines Sinnes seien in dem Herrn. (Phil 4,2)


Wir wissen nicht, welche Differenzen es zwischen den beiden gab. Aber es war für die beiden und vermutlich auch für die Gemeinde wichtig, dass die beiden ihre Differenzen beilegen, dass sie miteinander reden, dass sie „eines Sinnes“ sind. Auch im Zusammenhang mit dem Herrenmahl begegnet mir dies Wort: Denn ein Brot ist's: So sind wir viele ein Leib, weil wir alle an einem Brot teilhaben. (1. Kor 10,17) Das eine Brot, das beim Mahl gebrochen wird, steht für die eine Gemeinde, den einen Leib Jesu, zu dem wir als Glieder gehören. Das hat Gott geschenkt. Wir sind versöhnt mit Gott und neue Menschen geworden. In den drei Bibelstellen wird uns „eins sein“ beschrieben: Einheit beschreibt das Miteinander, das durch Liebe, Treue, Respekt und Wertschätzung geprägt ist.

Je länger ich diesen Text studiere, desto deutlicher sehe ich: Es geht hier in diesem Gebet um mehr als nur gemeinsame Überzeugungen, gemeinsame Glaubensinhalte. Denn wenn wir als Gemeinde am Sonntag miteinander das Apostolische Glaubensbekenntnis sprechen, würde das uns eins machen? Nicht wirklich. Eins sein braucht mehr als das. Ich erinnere mich an eine Gemeindestunde. Gegen Ende gab es unschöne, kränkende Worte. Einige Leute waren erschrocken. Doch die Zeit und Kraft war nicht mehr da, um wieder eins zu werden. Das Gespräch wurde beendet. Jemand schlug vor, gemeinsam das Lied zu singen, „Herr, wir stehen Hand in Hand, die dein Hand und Ruf verband...“ Um das Lied zu bekräftigen und aus Tradition, gab man sich die Hand. Aber einige sangen nicht mit und gaben auch niemandem die Hand. Ein stiller Protest? Ich weiß nicht, ob alle das sahen. Aber Jesus sah es ganz bestimmt. Es braucht natürlich mehr als ein Lied, um Hand in Hand zu stehen. Es ist nicht schwer, die Einheit einer Gemeinde zu zerstören. Es ist schwer, die Einheit zu bewahren.





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Dieser Text ist ein Gebet Jesu. Wir sind eingeladen, das Gebet nachzusprechen, darin zu erkennen, was Jesus wichtig ist. Weil dieser Text ein Gebet ist und keine Predigt, keine versteckte Botschaft, sollten wir zuerst es Jesus Christus nachmachen: für ein gutes Miteinander, für Einheit in unseren Beziehungen und Gemeinden beten. Denn wo Einheit erlebt und gelebt wird, da verdanken wir es Gott. Es gibt keine Einheit ohne Gebet, ohne Gottes gnädige Hilfe.


2. Es gibt keine Einheit ohne Liebe und ohne Mühe.


Und ich habe ihnen die Herrlichkeit gegeben, die du mir gegeben hast, damit sie eins seien, wie wir eins sind, 23 ich in ihnen und du in mir, damit sie vollkommen eins seien und die Welt erkenne, dass du mich gesandt hast und sie liebst, wie du mich liebst.


Okay, in diesem Text kommen die Wörter Liebe und Mühe nicht vor. Doch wenn ich mich frage, was hat Jesus bewogen, so zu beten, was bewegt Jesus heute, so für uns zu beten, dann gibt es nur eine Antwort: die bedingungslose und große Liebe zu uns und zur ganzen Welt. Aus Liebe betet Jesus.


Der erste große Konflikt in der jungen Gemeinde wird uns in Apostelgeschichte 15,1ff beschrieben. Es waren wichtige Fragen zu klären. Denn die Missionsarbeit kam ins Stocken. Die beteiligten Parteien reisten nach Jerusalem, um miteinander eine Lösung zu finden. Man hat miteinander gestritten; man hat zugehört, geschwiegen. Man hat sich zurückgenommen. Das alles aus dem Glauben, dass neue Einheit möglich ist und das alles aus der Kraft der Liebe. Sie haben einen gemeinsamen Weg gefunden und dann haben die ersten Christen erlebt: die Gemeinde Jesu wächst weiter. Wie ermutigend!


Als Kind machte ich eine Erfahrung, die mich erschüttert hat. Es war im Winter. Ich war rodeln. Viele andere Kinder auch. Mit Schwung ging es den vereisten Hügel hinab. „Aus dem Weg! Aus dem Weg! Jetzt komme ich!“ So ähnlich habe ich gerufen. Unten lag ein Kind. Ich dachte, der will mich sicher ärgern. Genau weiß ich nicht mehr, was ich dachte. Und dann war es schon geschehen. Ich traf den Jungen mit einer Kufe an der Schläfe. Ich war wie geschockt. Was hatte ich getan?! Nach kurzer Zeit kam ein Krankenwagen. Das Kind wurde auf einer Bahre zum Krankenwagen getragen. Dann wurde die Rodelbahn gesperrt. „Wie konntest du nur so stur sein?! So egozentrisch! So rücksichtslos, lieblos?!“ Ich hätte ein paar Zentimeter den Schlitten umlenken können. Für ein gutes Miteinander braucht es oft nicht wirklich viel. Es braucht vor allem Liebe und ehrliche Mühe.

Ein weiterer wichtiger Text, in dem es um diese wertvolle Einheit geht, ist dieser: Denn ihr seid alle durch den Glauben Gottes Kinder in Christus Jesus. Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen. Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus. Galater 3,26-28 Die unüber-brückbaren Differenzen zwischen Juden und Nichtjuden, zwischen Sklaven und Freien, zwischen Männer und Frauen hat Gott durch seine Liebe in Jesus Christus überbrückt. Durch diese Liebe ist es möglich, dass ich anderen auf Augenhöhe begegne. Durch diese Liebe ist es möglich, dass ich meine neue Identität als Christ fröhlich lebe. Die größte Kluft hat Gott selbst durch den stellvertretenden Tod seines Sohnes überwunden. Die Kluft zwischen uns und Gott selbst. Und allein aus dieser selbstlosen Liebe heraus, können wir immer wieder neu eins werden.


Dies Gebet von Jesus zeigt drei praktische Konsequenzen auf:

Erstens, ich nehme mir Zeit für Buße und lasse Traurigkeit zu über Trennungen und gescheiterte Beziehungen.

Zweitens, ich bete mehr für ein gutes Miteinander mit anderen und um Hilfe für mich.

Drittens, ich danke Gott für erlebte und neu geschenkte Einheit, für Versöhnung und heile Beziehungen.


Baptisten Nordenham | Zoar-Kapelle | 26954 Nordenham | Friedrich-Ebert-Str. 65   
Gottesdienst: So 10:00

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